Die EU-Ökodesign-Richtlinie und ihre Folgen
Die Europäische Union setzt ab März 2023 ein Verbot für den Verkauf bestimmter Fernsehmodelle aufgrund ihres vergleichsweise hohen Energieverbrauchs um. Danach könnten alle 8K-TVs sowie einige hochwertige 4K-Modelle vom Markt verschwinden, sofern die Regelung in der aktuellen Form bestehen bleibt. In diesem Ratgeber sehen wir uns genauer an, welche TV-Geräte diese Maßnahme betrifft, was die Hersteller tun können, um sich darauf vorzubereiten, wie die neuen Grenzwerte definiert sind und in welchen Bereichen die Probleme liegen.
Mehr Nachhaltigkeit durch EU-Ökodesign-Richtlinie
Die zweite Stufe über die Anpassung der gesetzlichen Vorgaben zum Energieverbrauch von Elektrogeräten tritt ab dem 1. März 2023 in Kraft. Ziel der Neuregelung ist eine besser Nachhaltigkeit. Als Teil einer vorgeschriebenen Änderung der Ökorichtlinie strebt die Maßnahme eine Minimierung der negativen Umweltauswirkungen durch elektronische Geräte an. Insider sehen darin auch ein längst notwendiges Vorgehen zur Reduzierung des Elektroschrotts.
Fernseher stehen neben zahlreichen anderen Produktgruppen als einer der größten Stromfresser in unseren Haushalten deutlich im Fokus. Künftig werden TV-Hersteller durch die EU-Ökodesign-Richtlinie also noch stärker in die Pflicht genommen, ihr Portfolio energieeffizienter zu gestalten und Stromschlucker damit dauerhaft aus ihrem Modellbestand zu verbannen.
Neben der generellen Senkung des Strombedarfs bestimmter Gerätegruppen soll auch die Recyclingfähigkeit solcher Produkte verbessert und der CO2-Ausstoß verringert werden. Zwischenzeitlich war nicht klar, ob die EU ihren geplanten Kurs auch tatsächlich so durchbringen wird. Mittlerweile scheint die Einführung aber sicher zu sein.
Kaufinteressierte sollten sich also bewusst machen, dass damit auch die Verfügbarkeit bestimmter Modelle eventuell eingeschränkt sein wird und bestimmte Fabrikate bald vielleicht nicht mehr zu erwerben sein werden. Solltet ihr euer Wunschmodell noch bekommen haben aber bis jetzt nach passenden Boxen suchen, dann werft gerne einen Blick in unsere Soundbar Kaufberatung.
Wie lauten die neuen Grenzwerte?
Der sogenannte Energieeffizienzindex gibt an, wie hoch die Leistungsaufnahme eines TV-Gerätes in Relation zu einer bestimmten Bildschirmdiagonale sein darf. Aus der jeweiligen Größe lässt sich die Fläche als einer der maßgeblichen Berechnungsfaktoren ermitteln.
Wichtig ist hier die Unterscheidung zwischen dem SDR– und HDR-Betriebsmodus. Bei Ersterem ist der Verbrauch oft wesentlich geringer und ausschlaggebend für die Bewertung. Der Stromverbrauch im helleren HDR-Betrieb hat dagegen aktuell keine Bedeutung.
Damit ihr schnell feststellen könnt, ob die EU für euer derzeitiges Wunschmodell oder ein bereits gekauftes Fernsehgerät grünes Licht gibt oder nicht, haben wir alle handelsüblichen Bildschirmdiagonalen in einer kompakten Tabelle mit dem dazugehörigen Maximalverbrauch für euch zusammengefasst.
Sollten wir eine Bildschirmgröße nicht aufführen, könnt ihr den entsprechenden Höchstverbrauch über die folgende — nicht ganz unkomplizierte — Formel auch selbst ausrechnen:
Zur Erklärung: Der Parameter “P-measured” bezieht sich auf den vom Hersteller angegebenen Energieverbrauch. Die Fläche des Bildschirms wird bei “A” eingefügt. Die Variable “corr” steht für den Korrekturfaktor und wird für die Berechnung zukünftig keine Rolle mehr spielen.
Bildschirmgröße | Höchstverbrauch (SDR) |
---|---|
32 Zoll | 33 Watt |
40 Zoll | 48 Watt |
42 Zoll | 53 Watt |
46 Zoll | 61 Watt |
48 Zoll | 66 Watt |
50 Zoll | 71 Watt |
55 Zoll | 84 Watt |
60 Zoll | 98 Watt |
65 Zoll | 112 Watt |
75 Zoll | 141 Watt |
77 Zoll | 148 Watt |
83 Zoll | 164 Watt |
85 Zoll | 169 Watt |
88 Zoll | 178 Watt |
Gelten weiterhin Ausnahmefälle?
Ein entscheidender Faktor liegt tatsächlich in diversen Ausnahmefällen begründet, die bislang gegriffen haben und verhinderten, dass eine ganze Reihe an TV-Geräten den Verkaufsstecker schon früher gezogen bekommen hat. Diese Tatsache wird sich bald aber ebenfalls ändern und entsprechende Sonderregelungen dann keine Gültigkeit mehr besitzen.
Bisher sind sogenannte Micro-LED-Displays und 8K-Panels von den Vorgaben der Richtlinie nämlich ausgenommen und hatten deshalb keine spezifischen Vorgaben hinsichtlich ihrer Energieeffizienz. Diese Bildschirme gelten aber als besonders energieintensiv und sind die am stärksten von der Ökodesign-Richtlinie betroffenen Fernsehgeräte. OLED-Modelle haben zudem den Vorteil, dass ein Korrekturfaktor in die Berechnungen der maximal erlaubten Leistungsaufnahme eingebaut ist.
Dieser Aspekt berücksichtigte, dass derartige Displays — zumindest theoretisch — besonders energieeffizient sind und deshalb eine höhere Leistungsaufnahme als andere Bildschirme haben dürfen. Praxisbezogen ist diese Annahme allerdings nicht. Häufig ist die selbstleuchtende Pixel-Technologie nicht wirklich stromsparrender als LED-TVs.
Ab März 2023 werden sowohl der grade beschriebene Korrekturfaktor als auch die Ausnahmen für Displays mit 8K-Auflösung und Micro-LED-Anzeigen entfallen. Dies bedeutet, dass alle oben genannten Modellarten ebenfalls den Vorgaben der Verordnung entsprechen müssen, um im Handel auch weiterhin eine Verkaufsgenehmigung zu erhalten.
Eine Unterscheidung nimmt die EU dann aber doch noch vor. Alle Bildschirme, die für einen professionellen Einsatz konzipiert wurden, sind von den Bestimmungen vollumfänglich befreit. Das gilt für industrielle Bildschirme, Anzeigen zur Steuerung-, Messung, Überwachung und Testung sowie CAD, Grafik und Videobearbeitung. Auch der Rundfunkbereich ist an dieser Stelle ausgenommen.
Welche TV-Modelle sind im Einzelnen betroffen?
Die neue EU-Ökodesign-Richtlinie wirkt sich nicht nur auf Micro-LED-TVs und 8K-Fernseher, sondern auch einige aktuelle 4K-Modelle auf dem Markt aus. Eine Übersicht dieser Fernseher und deren jeweiligem Stromverbrauch im SDR-Modus haben wir nachfolgend für euch zusammengetragen.
Diese Fernseher der Topmarken aus den Modelljahren 2021 und 2022 dürften laut der EU-Regulierung zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels nicht mehr verkauft werden:
Hersteller | Modellbezeichnung | Größe in Zoll |
---|---|---|
LG | NANO96 | 65″ |
LG | NANO99 | 65″, 75″ |
LG | OLED Z1 | 77″, 88″ |
LG | OLED Z2 | 77″, 88″ |
LG | QNED96 | 65″, 75″ |
Philips | OLED+936 | 48″, 55″, 65″ |
Samsung | Neo QLED QN900A | 65″, 75″, 85″ |
Samsung | Neo QLED QN800A | 65″, 75″, 85″ |
Samsung | Neo QLED QN700A | 55″, 65″, 85″ |
Samsung | Neo QLED QN900B | 65″, 75″, 85″ |
Samsung | Neo QLED QN800B | 65″, 75″, 85″ |
Samsung | Neo QLED QN700B | 55″, 65″, 85″ |
Samsung | S95B QD-OLED | 55″, 65″ |
Sony | Z9J | 75″, 85″ |
Sony | A95K QD-OLED | 65″ |
Hinweis in unserem Versus-Tool
Darüber hinaus haben wir unseren Fernsehervergleich durch einen farblichen und textlichen Hinweis ergänzt, der direkt unterhalb des Artikelbildes ausgegeben wird. Damit erkennt ihr auf den ersten Blick, ob ein Modell den ab 2. März 2023 geltenden Richtwerten entspricht.
Alle Fernsehgeräte, die auch weiterhin verkauft werden dürften, sind grün markiert. Eine rote Kennzeichnung würde den Verkauf mit Stand vom 16.01.2023 künftig untersagen. Unsere Ökodesign-Rubrik verrät euch außerdem weitere Informationen zum Thema Stromverbrauch eures TV-Geräts.
Schwankender Stromverbrauch bei TVs
Die Stromverbräuche von Fernsehern können sehr unterschiedlich sein. Sie hängen von verschiedenen Faktoren wie Größe, Auflösung und der Art des Panels ab. Eine Rolle spielt dabei ebenfalls, ob der Fernseher über einen Internetzugang verfügt und damit die zusätzliche Klassifizierung Smart-TV bekommt oder nicht. Weitere maßgebliche Aspekte sind die effektiv eingestellte Helligkeit und der ausgewählte Betriebsmodus.
Berücksichtigen wir all diese Kennzahlen, kann der Stromverbrauch eines modernen Fernsehers auf 1000 Betriebsstunden gerechnet — im besten Fall — durchschnittlich weniger als 50 kWh betragen. Bei großen 8K-Modellen auf der maximalen Helligkeitsstufe und höchster Auflösung aber auch gut und gerne mehr als das 10-fache an Strombedarf bedeuten.
Die Spanne ist demnach recht groß. Da die festgeschriebenen Schwellenwerte aber deutlich geringer ausfallen, werden die wesentlich höheren Verbräuche letztlich zur Verkaufshürde für die Hersteller werden. Micro-LED-TVs benötigen ebenfalls vergleichsweise viel Energie und könnten die Vorgaben daher ebenso nicht erreichen. Anzeigen dieser Art sind bislang allerdings dem Business-Bereich vorbehalten und daher kein Faktor in privaten Haushalten.
Was können TV-Hersteller dagegen tun?
Um nicht potenziell auf Geräten sitzen zu bleiben, haben Hersteller nur wenig Spielraum. Generell können Produzenten wie LG, Samsung oder Sony die von der Richtlinie betroffenen Fernsehgeräte softwareseitig anpassen. Auf Grundlage eines speziell für die EU-Ökodesign-Richtlinie ausgerichteten Bildmodus würde das Gerät dann knapp unterhalb der vorgeschriebenen Verbrauchswerte liegen, sobald der Fernseher zu Hause das erste Mal von euch eingeschaltet wird.
Dieser Kunstgriff ist eine Möglichkeit, das Verkaufsverbot zu umgehen. Die Kehrseite solch einer Vorgehensweise: Nach der ersten Inbetriebnahme würde die Bildleistung aufgrund einer dunkleren Darstellung in Verbindung mit der geringen Leistungsaufnahme nicht der Qualität respektive Helligkeit beim Händler entsprechen und müsste nachträglich eingestellt werden.
Auswirkungen auf die Verbraucher
Die neuen Bestimmungen könnten sich in vielerlei Hinsicht negativ auswirken und Konsumenten vor eine unerwünschte Herausforderung stellen, die zum Schluss in Irritation oder Unmut endet. So gehen Brancheninsider davon aus, dass die Umsetzung in ihrer jetzigen Form einen großen Einfluss auf die TV-Branche haben wird und Verbraucher zwingt, ältere, weniger leistungsstarke Modelle zu kaufen.
Mal angenommen, dass Produzenten tatsächlich einen speziellen Betriebsmodus nachreichen, könnten Käufer am Schluss die “Geschädigten” sein. Händler müssten Konsumenten im Vorfeld auf die EU-Ökodesign-Richtlinie in Verbindung mit den Bildeinstellungen aufmerksam machen. Oft verlassen sich Verbraucher darauf, dass ein erworbenes Gerät nach dem Aufstellen sofort “richtig” funktioniert.
Im schlechtesten Fall gibt der ahnungslose Otto Normalverbraucher den neu gekauften Fernseher einfach wieder zurück, weil der Umstellungsprozess zu komplex erscheint, wichtige Information dazu falsch oder gar nicht weitergegeben wurden. Ein Imageschaden für Hersteller ist dadurch als weitergehende Folge ebenfalls vorstellbar.
Auch eine Kurzanleitung, die irgendwo durch den Karton fliegt, würde vermutlich nur von den wenigsten Käufern beachtet oder überhaupt richtig gelesen werden. Besser ist da schon ein markantes Klebelabel auf dem Bildschirm, das auf einfache Weise und in wenigen Schritten erklärt, was der Nutzer tun muss, um das Gerät vollwertig nutzen zu können. Ob und in welcher Weise derartige Hilfen umgesetzt werden, bleibt momentan aber reine Spekulation.
Lautstarke Kritik an allen Ecken
Neuausrichtung notwendig
Zum Zeitpunkt der Festlegung geeigneter Grenzwerte für die EU-Ökodesign-Richtlinie fehlten Referenzwerte für Technologien wie beispielsweise 8K. Bildschirmdiagonalen mit 65 Zoll und mehr waren kaum ein Thema für Privathaushalte.
Hohe Kontraste und Frequenzen, die inzwischen über 120 Hertz pro Sekunde hinaus gehen, gehörten ebenfalls noch zur Zukunftsmusik der nachfolgenden Jahre. Die Forderung von Herstellern, Verbänden und Organisationen ist darauf ausgelegt, die EU zum Umdecken zu bewegen und die erlaubten Werte entsprechend neu zu definieren. Dafür muss an den notwendigen Stellschrauben gedreht werden und die Verordnung damit nach den heute herrschten Gegebenheiten auf den TV-Markt ausgerichtet sein.
Dazu gehört auch der Appell, Micro-LED-TVs und 8K-Fernseher von vornherein zunächst auszuklammern. Der Grund: Entsprechende Technologien sind in Europa noch nicht so weit verbreitet, sodass die höhere Energiebelastung durch vergleichsweise wenige Geräte — gemessen am gesamten Absatzmarkt keine wesentliche Rolle spielt.
Kaum bessere Effizienzwerte
Schon die Anpassung des Energieeffizienzlabels im März 2021 stellt kaum eine praktikable Lösung für Verbraucher dar. Da Fernseher in den vergangenen Jahren nicht die erwarteten Sprünge in puncto Energieeffizienz machten, werden selbst aktuelle Modelle in den meisten Fällen in eine der beiden schlechtesten Kategorien eingruppiert.
Technologien wie OLED oder 8K werden nicht differenziert betrachtet und neben Leistungsaufnahme auch die Leuchtdichte im Auslieferungszustand mit in die Beurteilung einbezogen. Dabei muss der Fernseher ganzflächig entweder wenigstens 65 Prozent seiner Spitzenhelligkeit oder 220 Candela pro Quadratmeter erreichen.
Im Klartext werden durch die neue EU-Ökodesign-Richtlinie fast drei Viertel aller TV-Geräte mit dem Energielabel G versehen. Weniger als 20 Prozent schaffen die F-Einstufung. Das macht die Trennung für Verbraucher schwieriger, da die genauen Verbrauchswerte zwar generell miteinander vergleichbar sind, ein klarer Bezugsfaktor zur Einordnung aber fehlt.
Zwei entscheidende Gründe sind in diesem Zusammenhang relevant: Zum einen weicht die von der EU angenommene Effizienzsteigerung von 7,5 Prozent pro Jahr deutlich von der Realität ab. Zum anderen stieg der Strombedarf durch die Implementierung von Technologien wie HDR und einer gesteigerten Bildschirmauflösung mehrere Jahre lang kontinuierlich an, statt zu fallen.
Bilanz: Viele TVs fallen nicht mehr nur zusammen in eine einzige Effizienzklasse, sondern können den ab 1. März 2023 gültigen Standard dann gar nicht mehr erfüllen. Um den Grenzwerten zu entsprechend müssten zum Beispiel sämtliche 8K-Geräte ihre Energieaufnahme um bis zu 50 Prozent reduzieren und damit halbieren. In den kommenden Jahren wird das technisch nicht umsetzbar sein.
Die Richtlinie als Investitionsdämpfer
Im Rahmen der EU-Ökodesign-Richtlinie wurde das Ziel ausgerufen, den Einsatz von energieeffizienten Geräten zu fördern. Dies ist sinnvoll, um den Energieverbrauch zu reduzieren und die Umweltbelastung zu minimieren. Allerdings kann diese Richtlinie auch die Entwicklung neuer Technologien behindern.
Displayhersteller investieren oft in Neuentwicklungen wie 8K-Panels oder Micro-LED-Displays. Speziell in der Einführungsphase werden solche Trends von Verbrauchern aber oft zurecht als unnötig empfunden, da sie für den normalen Gebrauch zu teuer sind und so schnell überflüssig erscheinen. Diese Technologien weiterzuentwickeln ist trotzdem richtig und wichtig, da sie in Zukunft ein Bestandteil unseres Lebens sein werden.
Auf Dauer kann die EU-Ökodesign-Richtlinie in ihrer aktuellen Fassung dazu beitragen, dass Hersteller von Displays nicht mehr so viel Geld in neue Technologien stecken, weil diese Investitionen nur noch zu einem geringeren Anteil wieder hereingeholt werden dürfen. Dadurch könnte die Entwicklung neuer Technologien stockender vorangehen.
Quellen:
- https://presse.lg.de/2023/01/04/ces-2023-lg-oled-tv-mit-zero-connect-technologie-definiert-raumgestaltung-neu/
- https://www.digitaleurope.org/resources/can-tv-monitors-and-display-technology-become-even-more-energy-efficient/
- https://www.digitaltrends.com/home-theater/eu-efficiency-standards-would-ban-8k-4k-tvs/
- https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/elektrogeraete/fernseher